Gestern
Persönliche Erinnerungen...


Aufgewachsen bin ich im Haus Nr. 42 in der Pfisterstraße, und damit genau am Ort des Geschehens. Wie Sie sicher wissen, ist das Haus direkt neben dem Mariensteig eines der Häuser am Abhang zur Badstraße, bei denen man in der Pfisterstraße im Erdgeschoss eintritt und dann ohne eine Treppe gestiegen zu sein im zweiten Stock zur Badstraße hin aus dem Fenster schauen kann. Außerdem konnte man damals innerhalb des Hauses die Treppen nach unten gehen und durch den Hof über die Straße direkt zum Eingang des Freibades gelangen.

Meine Eltern hatten diese Erdgeschosswohnung und ich erinnere mich gerne und genau an meine Kinderjahre. Auch zum Thema Flussbad kann ich Erinnerungen beisteuern, leider keine Photos oder eine authentische Badehose oder Eintrittskarte zum Zahlbad.

Meine Erinnerungen an das Flussbad reichen wohl so bis zur Badesaison 1939/40 zurück. Das Bad, von Süden nach Norden war gegliedert nach Zahlbad, damals für uns unbezahlbar, Frauen- und Mädchenbad, Männerbad und Knabenbad. Das Militärbad, dass sich weiter im Süden bei der Rohrbrücke und eine möglicherweise »wilde« Badestelle an der Dambacher Brücke, gehören wohl nicht hier her. Der feste Steg über die Rednitz existierte damals noch nicht. Es gab nur drei auf alten Bierfässern gelagerte Schwimmstege, die sich je nach Wasserstand des Flusses hoben oder senkten und die zu Saisonbeginn montiert und im Herbst wieder abgebaut wurden. Wenn ein sommerliches Hochwasser kam wurden sie teilweise weggerissen und bis zum Hardsteg, so hieß er wohl damals, vom Fluss mitgenommen. Die Schwimmstege, die parallel zu den Flussufern verliefen wurden erst in den Jahren nach dem Krieg eingeführt. Sie waren auch nicht mehr auf Bierfässern gelagert sondern auf Metalltonnen.

Meine ersten Erinnerung an das Bad sind nicht besonders positiv. Ich weiß noch wie heute, dass mein Vater an einem Sonntagmorgen, vermutlich sehr früh im Jahr, versuchte, mir das Schwimmen beizubringen. Ich war wasserscheu und schon bei dem so genannten »Abfrischen« habe ich fürchterlich gebrüllt. Bäuchlings auf den Händen meines Vaters hatte ich dann die ersten Schwimmbewegungen auszuführen und als mein alter Herr probeweise die Hände mal wegnahm und ich unter Wasser geriet, war es aus. Mit meinem Geschrei provozierte ich eine Watschen und der Schwimmunterricht war zunächst beendet. Später haben sich dann die beiden Bademeister, der alte, schnauzbärtige Moser und der jüngere, ich glaube er hieß Lauterbach und hatte ein Kreuz wie ein Kleiderschrank, unserer angenommen und dafür Sorge getragen dass wir bei unseren Spielen in dem stellenweise nur knietiefen Wasser nicht ertranken und nach und nach auch das Schwimmen lernten.

Später war das Bad nicht mehr aus unserem Leben wegzudenken. Bereits der Vorbereich des Bades, dort wo heute die Druckerei Ulrich steht war Spielplatz. Der Platz war von einer Rasenfläche bedeckt und in der Mitte stand ein großer Kastanienbaum. Der Bereich war währende des Sommers frei zugänglich, außerhalb der Saison sind wir halt über den Zaun geklettert.

Das westlich Flussufer selbst war von der Wohnung meiner Eltern aus einzusehen. Das brachte mir die Erlaubnis ein ohne direkte Aufsicht alleine mit meinen Freunden dort zu spielen. Man konnte in der Badehose direkt losziehen und hatte kein Sorge um seine Kleider zu haben. Das jährliche Hochwasser hatte genau im Blickfeld meiner Eltern ein kleine, mit feinem Sand gefüllte Bucht ausgewaschen, die ein herrlicher und in den Morgenstunde auch sonniger Platz war. In den beiden Kinderbecken auf dem Ostufer haben wir so gut wie nie gespielt, wir haben lediglich ein paar Mal versucht mit Taschentüchern Stichlinge zu fangen, die dort im seichten Wasser herum schwammen.

Wenn es Zeit zum Mittagessen war, hängte meine Mutter ein weißes Handtuch in Fenster und ich zog ab. Auch nach dem Abendessen durften wir nochmals rüber ins Bade. Ich kann Ihnen versichern, ein kräftiger Schluck Flusswasser zum Gurkensalat ist ein unvergesslicher kulinarischer Genuss und erzeugt einen kolossalen Rülpser.

Der Niedergang des Bades begann im April 1945. Auf dem östlichen, befestigten Ufer zogen zu Beginn des Monats Soldaten ein und hoben Schützengräben aus. Nach dem Ende des Krieges, für uns damals der 20. April, wurde von den Anwohnern alles was brennbar war, auf der ganzen Länge der Badeanlage abgebrochen. Sämtliche Kabinentüren, Einrichtungsgegenstände und die gesamte Verkleidung wurden verheizt, auch die Holzelemente des Zaunes, der die Liegewiesen gegen das Gelände am Waldmannsweiher abtrennte. Lediglich die Stützbalken und das Dach der Anlage blieben stehen.

Wann und wie die Anlage später wieder hergerichtet wurde weiß ich nicht mehr. Ich kann mich aber an die Errichtung des festen Steges erinnern und daran, dass der Fluss durch die Abwässer des Kraftwerkes in Gebersdorf immer wärmer wurde. Wir haben zu dieser Zeit schon begonnen, wenn auch noch verbotener Weise, im Waldmannsweiher zu schwimmen. Bald darauf wurde das Baden im Fluss untersagt und das so genannte Sportbad im Waldmannsweiher eingerichtet. Meine Eltern sind kurz darauf in das Neubaugebiet auf dem ehemaligen Flugplatz umgezogen. Ich habe dadurch den Kontakt zum Flussbad verloren und da ich selbst aus Fürth wegzog von der Errichtung des Beckens und später des Hallenbades am Scherbsgraben nur aus Erzählungen gehört.

Im Dezember 2003, als ich in Nürnberg war um einen Vorrat an Bratwürstchen für den Heiligen Abend anzulegen, hab ich auch einen Abstecher in die Pfisterstraße gemacht. Im Hof des Hauses konnte ich parken und stellte fest, dass ein schmaler Weg, der frühere Zugang zum Männerbad, zwischen der Druckerei Ulrich und den Baracken bis zum Fluss begehbar war. Habe ein Weile am Ufer gestanden und in Erinnerungen gekramt, wie sich das für älter Menschen geziemt. Der erste Schwimmunterricht und der erste Kuss im Alter von 10 Jahren - soll noch mal jemand sagen die heutige Jugend wäre frühreif - von meiner ersten Freundin in einem der Hohlräume unter den Schwimmbrücken waren dann nach mehr als fünfzig Jahren plötzlich wieder da.

So viel zum Alten Flussbad. Waren wohl doch mehr persönliche Details als Fakten, Fakten und nochmals Fakten zum Thema. Ich hoffe, Sie können die Spreu vom spärlichen Weizen trennen und natürlich auch, dass Sie Erfolg haben das Ensemble zu retten. Lassen Sie mal von sich hören wie die Sache weitergeht. Da ich sicher auch in diesem Jahr wieder Bratwürste holen werde, werde ich mich aber auch vor Orte vom Stand der Dinge kundig machen.

Heilbronn, den 06.11.2004

Hermann Bratenstein (geb. 1936)

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